Friedrich Schiller (1759–1805) ist einer der bedeutendsten deutschen Dichter, Dramatiker und Philosophen, dessen Werke die deutsche Literatur und Kultur nachhaltig prägten. Doch war Schiller ein Romantiker? Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, da Schiller zu einer Zeit lebte, die sowohl die Aufklärung als auch die Frühromantik umfasste. Obwohl seine Werke Elemente enthalten, die mit der Romantik in Verbindung stehen, war er als Schriftsteller stärker in der Aufklärung und im Sturm und Drang verwurzelt. Um diese Frage zu klären, lohnt es sich, Schillers Entwicklung als Dichter sowie die Merkmale der Romantik und seine eigene Position in der Literaturgeschichte näher zu betrachten.
1. Schillers Entwicklung und die Zeitenwende
Schiller wurde 1759 in Marbach am Neckar geboren und wuchs in einer Zeit auf, die von den Idealen der Aufklärung geprägt war. Diese Epoche betonte Vernunft, Wissenschaft und den Fortschritt der Menschheit. Allerdings war Schiller ein Mann, der in seiner frühen Schaffensperiode vor allem von der Sturm-und-Drang-Bewegung beeinflusst war, einer Phase der Literaturgeschichte, die sich gegen die Vernunft und die strengen Normen der Aufklärung auflehnte und das Gefühl, die Leidenschaft und die Individualität betonte.
Die Werke Schillers aus dieser Zeit, wie Die Räuber (1781), zeigen seine starke Affinität zu den Themen Freiheit, Revolution und das Aufbegehren gegen gesellschaftliche Konventionen. Diese Merkmale sind typisch für den Sturm und Drang, nicht jedoch für die Romantik, die später folgen sollte.
Erst in den späten 1780er Jahren, als Schiller nach Weimar zog und mit Goethe eine enge Freundschaft entwickelte, begann er, sich stärker mit den Ideen des Klassizismus auseinanderzusetzen. Diese Phase brachte Werke wie Wilhelm Tell (1804) hervor, die durch klare, moralische Orientierung und die Betonung von Harmonie und Schönheit geprägt sind. Schiller strebte in dieser Zeit eine ästhetische und philosophische Veredelung der Menschheit an, die sich deutlich von den Zielen der Romantik unterschied.
2. Romantik: Merkmale und Kontraste zu Schillers Werk
Die Romantik, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland ihren Höhepunkt erreichte, war eine kulturelle Bewegung, die sich stark von den Idealen der Aufklärung und des Klassizismus unterschied. Sie setzte einen klaren Kontrapunkt zu den rationalen und idealisierenden Tendenzen der vorangegangenen Epochen. Die Romantiker betonten die Bedeutung des Gefühls, der Natur und des Irrationalen, wiesen die Wissenschaft und den Fortschritt als beschränkte, menschengemachte Kategorien zurück und setzten stattdessen auf das Mystische, das Individuelle und das Unbewusste.
Ein zentrales Thema der Romantik war die Flucht aus der Wirklichkeit und die Hinwendung zum Übernatürlichen, Fantastischen und Idealisierten. Autoren wie E.T.A. Hoffmann, Novalis und Heinrich von Gagern waren typisch romantische Vertreter, die sich mit solchen Themen auseinandersetzten.
Schiller hingegen, besonders in seiner späteren Phase, konzentrierte sich stärker auf das, was er als die „Idealität“ des Menschen verstand. In seinen ästhetischen Schriften und Dramen suchte er nach universellen Wahrheiten, die dem Menschen eine höhere moralische Orientierung bieten sollten. In Werken wie Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795) und Die Braut von Messina (1803) ist Schiller eher ein Vertreter des Klassizismus, der auf Harmonie und die Bildung des Menschen durch Kunst und Kultur setzt.
3. Einflüsse und Gemeinsamkeiten
Trotz der Unterschiede zwischen Schiller und den Romantikern gibt es durchaus Gemeinsamkeiten, die Schiller in gewissem Maße mit der romantischen Bewegung verbinden. Zum einen beschäftigte sich Schiller ebenfalls intensiv mit dem Thema des Subjektiven und der inneren, seelischen Welt. In vielen seiner Werke geht es um den Konflikt des Individuums mit der Gesellschaft und um die Frage, wie der Mensch seine eigene Freiheit in einer oft als unvollkommen empfundenen Welt finden kann. Auch das Streben nach einer idealen Form des Menschen, wie es in seinem Drama Die Jungfrau von Orleans (1801) zum Ausdruck kommt, ist ein Thema, das sich später in der Romantik weiter entfaltet.
Zudem kann man Schillers Interesse an der Natur als einen weiteren Punkt anführen, der ihn mit der romantischen Bewegung in Verbindung bringt. In Gedichten wie Die Götter Griechenlands und An die Freude zeigt er eine tiefgründige Begeisterung für die Natur, die als Quelle der Inspiration und als ein Ort der unsterblichen Schönheit dargestellt wird – Themen, die auch in der Romantik häufig aufgegriffen werden.
4. Schiller und die Romantik: Kein direkter Vertreter
Trotz dieser Anklänge an romantische Motive bleibt Schiller im Kern ein Dichter der Aufklärung und des Klassizismus. Während er sich mit der Idee des Schönen und Erhabenen auseinandersetzte und moralische Themen behandelte, wie sie auch für die Romantik von Bedeutung waren, war seine Philosophie dennoch eher von einem Streben nach universellen und rationalen Werten geprägt als von einem Glauben an das Irrationale und das Geheimnisvolle, wie es bei den Romantikern der Fall war.
Die Romantiker kritisierten die Gesellschaft und die Wissenschaft als beschränkend und strebten danach, das Unbewusste, das Irrationale und das Fantastische in ihren Werken zu ergründen. Schiller hingegen setzte sich für eine moralische und ästhetische Erziehung des Menschen ein, die in den klaren Strukturen der Kunst und Kultur verwurzelt war.
5. Fazit
Friedrich Schiller war also kein Romantiker im klassischen Sinne. Er war vielmehr ein Dichter der Aufklärung und des frühen Klassizismus, dessen Werke von den Idealen der Vernunft, der moralischen Erhebung und der ästhetischen Bildung geprägt sind. Schiller beschäftigte sich mit vielen Themen, die später von den Romantikern weiterentwickelt wurden, wie der Innerlichkeit, der Natur und der Freiheit des Individuums. Doch im Gegensatz zu den Romantikern suchte Schiller nicht die Flucht aus der Realität oder das Mystische, sondern strebte nach einer idealen und vernünftigen Form der Menschheit, die durch Kunst und Bildung erreicht werden konnte.
Insofern kann man Schiller als einen Vorläufer der Romantik in einigen Aspekten betrachten, jedoch nicht als einen der großen Vertreter dieser Bewegung.